„…die wichtigste aller Künste“ – Bilder der Avantgarde im Kino der Revolution

Vortrag mit Filmbeispielen von Christoph Hesse (Arbeitskreis rote ruhr uni).
05.12.09, 18.00 Uhr im Filler. Anfahrtsbeschreibung gibt es hier.
Anschließend Überraschungsfilm.

Der Film sei die wichtigste aller Künste, meinte Lenin: weil nämlich der Film, anders als die dem gebildeten Bürgertum vorbehaltenen traditionellen Kunstgattungen, der gesamten Bevölkerung zugänglich sei. Der Film, hoffte er, werde den Massen die Revolution in jedermann verständlichen Bildern nahebringen. Die in der Sowjetunion der zwanziger Jahre produzierten Filmkunstwerke schienen ihm sogar recht zu geben, Sergej Eisensteins „Panzerkreuzer Potjomkin“ war von Moskau bis Hollywood berühmt. Den Ruf „Brüder!“ des Matrosen Wakulintschuk vernahmen zumindest die Filmkritiker aller Länder. Auf das erwachsende Klassenbewußtsein des Publikums wartete man jedoch ebenso vergeblich wie auf die Weltrevolution. Die Filme, die sie hatten herbeiführen helfen sollen, blieben schließlich der Kennerschaft von Intellektuellen überlassen und, was ihre Massenwirkung betrifft, eher einem Text von Kafka oder Joyce als einem Musicalfilm von MGM vergleichbar. Ähnlich erging es seither jedem Film, der die Hoffnung auf Revolution mit dem Anspruch auf eine Revolutionierung der Filmkunst selbst verband.
Was hier als politische Avantgarde des Kinos bezeichnet wird, folgt keiner eingebürgerten Definition, worunter etwa bestimmte Filme einer Epoche rangieren. Gemeint sind damit Filmexperimente, die auf der Suche nach einem neuen Inhalt des Kinos zugleich auch die Form zu verändern suchten, die sich als Norm filmischer Darstellung etabliert hatte; die Werke von Filmemachern, die nicht politische Filme, sondern, nach einer Unterscheidung Jean-Luc Godards, politisch Filme machen wollten. Zur Diskussion gestellt werden sollen ästhetische Konzepte einer politischen Film-Avantgarde, wie sie erstmalig im sowjetischen Kino der zwanziger Jahre Gestalt annahm. Ähnliche Versuche wurden abermals, nun unter ganz anderen Bedingungen, im Gefolge der sogenannten Neuen Wellen im Autorenkino der sechziger Jahre unternommen. Beide dürfen, an ihren ästhetischen und politischen Ansprüchen gemessen, als gescheitert gelten. Bedrückender als diese Erkenntnis ist allerdings der in der historischen Rückschau sich verfestigende Eindruck, daß das Niveau jener Filme seitdem kaum jemals wieder erreicht wurde.