Materialistische Rassismuskritik und die deutsche Linke

Vortrag und Diskussion am 7. April 2022 um 19:00 Uhr im [kany]

Es wird oft betont, dass Rassismus strukturell ist und im Zusammenhang mit Macht steht. Auf die Frage nach den konkreten gesellschaftlichen Zusammenhängen, Ursachen und historischen Konstellationen des Rassismus haben aber die Wenigsten eine Antwort. 
Daraus resultiert die Auffassung, dass den Ursachen rassistischer Gewalt und Unterdrückung durch eine individuelle Auseinandersetzung mit den eigenen „Privilegien” beizukommen wäre. Rassismuskritik wird so auf eine pädagogische Läuterungsmethode deutscher Linker reduziert, die zwar Einigen ein besseres Gefühl vermittelt, den Wenigsten aber praktisch hilft. Indem sich auf Awareness und Sprachsensibilität fokussiert wird, wird Rassismus als Bewusstseinskonstrukt missverstanden, das sich von akademischen Aktivist*innen aus der Welt trainieren ließe. Die Kritik an der Verschränkung kapitalistischer Vergesellschaftung und dem anhaltenden Rassismus, sowie die Forderung seiner Abschaffung wird dabei aufgegeben. Gerade weil Rassismus als soziales Verhältnis täglich Gewalterfahrungen produziert, muss sich gegen die Bagatellisierung des Rassismusbegriffs gewehrt werden.
Viele Marxist*innen ergehen sich in Abrechnungen mit der sogenannten Identitätspolitik und liberaler Antidiskriminierungsideologie, und man gewinnt bei manchen den Eindruck, dass die Pamphlete nur dazu dienen, um so weitermachen zu können wie bisher und sich alles aus dem Kapitalverhältnis zu erklären. Ein Beispiel ist die Apologie eines Wolfgang Fritz Haugs, der rassistische Pogrome als „spontanen Rassismus von unten“ bezeichnet und als „entfremdeten Protest“ verklärt.
Die Geschichte der deutschen zur migrantischen Linken wird häufig ausgeblendet: So wurde einem Mitglied der Antifa Gençlik von einem deutschen Autonomen gesagt „wir brauchen euren Mut, wie ihr unsere Klugheit braucht“. 
Umso nötiger also eine Auseinandersetzung, die nicht in allyship abdriftet, sondern bei der sich auch deutsche Linke als aktive Individuen mit eigenen Interesse an der Bekämpfung von Rassismus begreifen. 
Um Rassismus entgegen treten zu können, muss der Zusammenhang von Kapitalismus, Staat und Rassismus in den Blick genommen werden. Dazu gehört die Kategorie der Staatsbürger*in, die damit vorgenommene institutionelle Selektion in Inländer- und Ausländer*innen sowie die Kritik der globalen Arbeitsteilung. 


In dem Workshop werden einige Leerstellen in der deutschen Rassismusdiskussion thematisiert und Ansatzpunkte zu einer materialistischen Kritik an Rassismus vorgestellt.