Über das Verhältnis von Psychoanalyse und Gesellschaftskritik

09. November, 20.00 Uhr
Vortrag und Diskussion mit Konrad (Halle)

Die ökonomischen und gesellschaftlichen Zwänge treten dem Subjekt in der bürgerlichen Gesellschaft als von ihm unabhängiges Äußeres gegenüber und doch müssen sie von ihm ständig produziert und reproduziert werden, wobei sie ihre Spuren in diesem hinterlassen. Wie tief diese Prozesse wirklich reichen, konnte erst die von Sigmund Freud ins Leben gerufene Psychoanalyse aufdecken. Mit deren Strukturmodell der Psyche und der Kenntnis des Unbewussten ließen sich die Entwicklung von Einzelnen und auch Gruppen in der Gesellschaft rekonstruieren, sowie Denken und Handeln erklären.
Sexualität, Charakter, „Ich“, was vielen als ihr Innerstes und Eigenstes, „ihre Natur“ erscheint und als solche von ihnen absolut gesetzt wird, ist vielmehr Resultat der „tiefsten Verstümmelung“(Adorno) durch die „zweite Natur“. Könnte die Psychoanalyse den Menschen ein Bewusstsein ihrer Leiden und ihrer falschen Erklärungen verschaffen, erwiese sie sich als ein bedeutender Beitrag zur Aufklärung.
Wenn die durch die Kultur verdrängten und unterdrückten Triebe bewusst würden und das Ich seine Wünsche anstatt der Realität zum Maß der Dinge machte, könnte sich deren revolutionäres Potential entfalten als Motiv zur Überwindung des Bestehenden hin zu einer Gesellschaft, in der Glück nicht in abgeschwächter und ersatzhafter Form als Abfallprodukt der Verwertung und Mittel zur Reproduktion der Arbeitskraft seine Rechtfertigung hat, sondern oberster Zweck derselben ist.

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