Vortrag und Diskussion mit Felix Klopotek: Briefwechsel zwischen Paul Mattick und Roman Rosdolsky

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Generelles Thema ist der „revolutionäre Anti-Subjektivismus“, der m.E. für diese Generation (von Pannekoek, Jahrgang 1873, bis Mattick, Jahrgang 1904) verbindlich ist. Also: Zentralität der Oktoberrevolution; Ablehnung der Rolle der „großen Männer“; Bewertung der eigenen Biographie als zufällig; das subjektive Empfinden oder das „dabei geblieben sein“ ist nicht der Maßstab der Denkens und Handelns. Das sind vermeintlich selbstverständliche Sachen, aber in unserer Epoche des generalisierten Narzissmus Ungeheuerlichkeiten.

Konkret am Briefwechsel diskutiere ich drei Komplexe: a) die unterschiedliche methodologische Haltung (Mattick – viel eleganter als Rosdolsky – am Empirismus orientiert; Rosdolsky dagegen dem russischen Materialismus – Plechanow und Lenin – verpflichtet, was seinen grundsätzlichen Überlegungen etwas Plumpes verleiht; aber: in der Praxis ist Mattick, was die Analyse konkreter historischer Situationen angeht, der wurstige, lakonische, zum Abstrakten neigende Typ, während – umgekehrt umgekehrt – Rosdolsky der begnadete Historiker ist, der kein Dokument unberücksichtigt lässt.); b) die unterschiedliche Einschätzung der Sowjetunion (Mattick: Staatskapitalismus; Rosdolsky: Staatssozialismus); c) die kontroversen Haltungen zum Befreiungsnationalismus (Mattick dagegen; Rosdolsky dafür).

Natürlich bringe ich auch viel Zeitkolorit rein – Vietnamkrieg, drohender Atomkrieg, Faschismus in den USA, Chauvinismus in Polen, aufschlussreiche Lästereien über prominente Neomarxisten, die extreme Isolation, keine Publikationsmöglichkeiten etc. -, ein paar hübsche Anekdoten und es geht um die großen Manuskripte: Ich muss also vor allem auf „Marx und Keynes“ eingehen, aber auch auf Rosdolskys Studien zum Friedensvertrag von Brest-Litowsk, die er leider nicht mehr abschließen konnte.

Den Ertrag für heute sehe ich in der Vermittlung einer bestimmten revolutionären Haltung (von der man lernen sollte, die man natürlich nicht übernehmen kann) und in der Intensität der Debatten, es ging um die Aufrechterhaltung einer Kontinuität.