Filmvorführung „Liza ruft!“

Filmvorführung mit Diskussion am 4. Dezember 2023 um 19:00 Uhr in der Offenen Arbeit

Gemeinsam mit Dissens zeigen wir den ersten Film über eine jüdische Partisanin überhaupt und diskutieren über Geschichtspolitik. Die Veranstaltung wird gefördert vom Lokalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus – Partnerschaft für Demokratie in Erfurt.

Fania Yocheles-Brantsovskaya war 19 Jahre alt, als die Wehrmacht am 24. Juni 1941 in ihrer Heimatstadt Vilnius einfiel, die bis dahin als „Jerusalem Litauens“ galt. Fania wurde mit ihrer Familie ins Ghetto getrieben, musste Zwangsarbeit leisten und wurde Zeugin der „Aktionen“, in deren Folge die Deutschen und ihre litauischen Kollaborateure 70 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder im nahen Ponar erschossen. Sich der deutschen Vernichtungspläne bewusst, schloss sich Fania der jüdischen Widerstandsgruppe Fareinikte Partisaner Organisatzije (FPO) an. „Liza ruft!“ wurde die Losung für ihren Kampf. Kurz bevor die Deutschen das Ghetto liquidierten, entkamen die FPO-Mitglieder und schlossen sich der sowjetischen Partisan_innenbewegung in den nahen Wäldern an. Fania führte Sabotagemissionen aus und beteiligte sich an der Befreiung von Vilnius durch die Rote Armee.
Obwohl die Deutschen mithilfe ihrer litauischen Handlanger ihre gesamte Familie ermordet hatten, blieb Fania in ihrer Heimat und beteiligte sich an deren Wiederaufbau unter kommunistischer Führung. Nach dem Tod ihres Ehemanns, den sie im Kampf kennengelernt hatte, und dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden ihr die Erinnerung an den Holocaust und die Würdigung des jüdischen Widerstands zur Lebensaufgabe.

Brachte ihr das im Ausland Anerkennung, wurde sie in ihrer Heimat zur Zielscheibe von nationalistischen und antisemitischen Gruppierungen. Nachdem lokale Medien die Memoiren ihrer Freundin Rachel Margolis ausgeschlachtet hatten, die Fanias Teilnahme an der Zerstörung von Kaniūkai erwähnen – ein Dorf, das die sowjetischen Partisan_innen bekämpft hatte – ließ die Staatsanwaltschaft die damals 86-jährige Fania wegen der mutmaßlichen Beteiligung an Kriegsverbrechen vernehmen. Erst auf internationalen Druck wurden die Ermittlungen auf Eis gelegt. Daraufhin begann die litauische Politik, Fanias Potential als diplomatisches Aushängeschild zu entdecken und sie zu vereinnahmen.
Fanias Engagement ist seither eine Gratwanderung: einerseits drohen die Entpolitisierung ihrer Gedenkarbeit und eine Entfremdung von ihren Weggefährt_innen, anderseits läuft sie ständig Gefahr, neue antisemitische Angriffe und eine Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens zu provozieren.