Vortrag und Diskussion mit Christian Voller am 4. Oktober 2023 um 19:30 Uhr im [kany]
Christian Voller kommt nach Erfurt, um sein kürzlich erschienenes Buch vorzustellen und mit uns die Frage zu diskutieren, warum junge Linke, im Moment des Scheiterns der revolutionären Bewegung vor ungefähr 100 Jahren, zum Marxismus zurückkehrten und damit einer Theoriearbeit den Weg ebneten, die wir heute entweder als Frankfurter Schule oder Westlichen Marxismus kennen.
Mit Max Horkheimers 1937 bereits im Exil verfassten Aufsatz »Traditionelle und kritische Theorie« findet die Kritische Theorie ihre bündige Bestimmung, im Nachkriegsdeutschland wird sie als Frankfurter Schule zur intellektuellen Institution und moralischen Instanz.
Die Ursprünge der Kritischen Theorie jedoch liegen, so zeigt Christian Voller, in der Katastrophe des Ersten Weltkriegs.
Die Zustimmung der Sozialdemokratie zu den Kriegskrediten im patriotischen Taumel 1914, die Niederschlagung der Arbeiter- und Soldatenräte nach dem Kriegsende sowie die rapide Bolschewisierung der Revolution in Russland sind ein Schock. Alles steht erneut auf dem Prüfstand.
Im Heidelberger Universitätsmilieu der frühen 1920er-Jahre treffen enttäuschte Revolutionäre auf verzweifelte Neukantianer.
Gemeinsam wenden sie sich erneut dem Werk Karl Marx′ zu, um es einer kritischen Rekonstruktion zu unterziehen.
Hier bildet sich auch der produktive Zwiespalt der neuen Philosophie heraus: Sie ist Theorie der sozialen Revolution im Zeichen ihres fortgesetzten Scheiterns.
In der Dämmerung erzählt lebendig von den Schwierigkeiten dieser geistigen Arbeit und den Schicksalen ihrer Protagonisten, deren Denken unabgeschlossen bleiben musste und doch untergründig weiterwirkte.