Eine Veranstaltungsreihe des Arbeitskreises „Kritik des Nationalsozialismus“ der SJD – Die Falken Erfurt im Juni – November 2017
- 14. Juni, 19.30 Uhr: Matheus Hagedorny – Der faschistische Stil. Zur Ideologie und Strategie der Neuen Rechten
- 20 Juni, 19.30 Uhr: Gerhard Stapelfeldt – Neoliberaler Autoritarismus und Rechtspopulismus
- 27. Juni, 19.30 Uhr: Viktoria (Antifaschistische Kultur & Politik in Südthüringen e.V.) – Hannah Arendts „Banalität des Bösen“
- 04. Juli, 19.30 Uhr: Henning Fischer – Die Wende zur Wippe. Deutsche Erinnerung an den Nationalsozialismus im Jahr 2017
- 11. Juli, 19.30 Uhr: Annika Neubert – Kritik der antifaschistischen Praxis an historischen Orten
- 17 Juli, 19.30 Uhr: Stephan Grigat – Islamischer Antisemitismus
- 12.. August, 11 bis 18 Uhr: Ingo Elbe: Die theoretischen Grundlagen des Rechts- und Linkspopulismus
- 07. November, 18.30 Uhr: Offenes Treffen des Arbeitskreises „Kritik des Nationalsozialismus“
14. Juni, 19.30 Uhr: Matheus Hagedorny – Der faschistische Stil. Zur Ideologie und Strategie der Neuen Rechten
Vortrag und Diskussion
„Mit Pegida und dem Aufstieg des völkischen „Flügels“ der AfD steht die Neue Rechte wieder in Rede. Tatsächlich ist die Neue Rechte ein theoretischer und praktischer Katalysator rechtsnationalistischer Politik. Das lässt sich etwa an dem langjährigen intimen Verhältnis aufzeigen, das etwa die Architekten des „Flügels“, die AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke (Thüringen) und André Poggenburg (Sachsen-Anhalt), zu dem bekanntesten neurechten Aktivisten, Götz Kubitschek, unterhalten. Dessen Rittergut Schnellroda im südlichen Sachsen-Anhalt ist innerhalb von fünfzehn Jahren zum mythologisch verklärten Anziehungspunkt der Neuen Rechten geworden, wo ein prosperierender Kleinverlag, eine tonangebende Zeitschrift und ein Institut zur Kaderschulung zusammenwirken. „Schnellroda“, unter Rechten zum Ausdruck geronnen, inspiriert ein wachsendes Milieu. Dabei sind die Kubitscheks und Höckes keineswegs originelle Denker und Strategen. Sie imitieren lediglich schablonenhaft altbekannte Vorbilder und geben sich einer heroischen Revolutionsromantik hin. Die gegenwärtigen Themen der Neuen Rechten, zuvorderst die Feindschaft gegen Flüchtlinge, aber auch Antifeminismus und Geschichtsrevisionismus, sind nur Erscheinungsformen einer prinzipiellen Ablehnung der als „liberal“ gescholtenen bürgerlich-demokratischen Verhältnisse. Im Vortrag soll dies anhand einiger klassischer Autoren der Neuen Rechten, etwa Armin Mohler und Carl Schmitt, sowie mittels einiger aktueller Veröffentlichungen aus den szeneeigenen Verlagen und Zeitschriften aufgezeigt werden. Matheus Hagedorny lebt und arbeitet in Leipzig und Berlin und schrieb zuletzt für die Wochenzeitung Jungle World über die „rechtsintellektuelle“ Szene.“
20 Juni, 19.30 Uhr: Gerhard Stapelfeldt – Neoliberaler Autoritarismus und Rechtspopulismus
Vortrag und Diskussion
Der Neoliberalismus wurde theoretisch um 1920/40 als eine Kritik des Nationalsozialismus begründet, die diesen verdrängte, indem die Barbarei als Resultat der Geschichte von der Französischen Revolution bis zum Sozialismus erklärt wurde – und nicht als Produkt des autoritären Kapitalismus. Die Durchsetzung des Neoliberalismus zur herrschenden Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft begann nach den Weltwirtschaftskrisen von 1975/81. Weil der neue Liberalismus den Nationalsozialismus nicht durch Aufklärung und gesellschaftliche Veränderungen überwand, reproduzierte er in der Form nicht einer Wiederholung, aber einer „Wiederkehr“ das „Verdrängte“. Darum ist der Neoliberalismus eine neue autoritäre Ordnung des „freiwilligen Konformismus“, die den Nationalsozialismus immer erneut verdrängt, darum kehrt der alte Autoritarismus in der neoliberalen Revolte des Rechtspopulismus gegen die neoliberale Globalisierung wieder.
27. Juni, 19.30 Uhr: Viktoria (Antifaschistische Kultur & Politik in Südthüringen e.V.) – Hannah Arendts „Banalität des Bösen“
Vortrag und Diskussion
Im Jahr 1961 fand in Jerusalem der Prozess gegen Adolf Eichmann statt. Hannah Arendt begleitete den Prozess, was sie zur Aufstellung des psycholsozialen Phänomens der Banalität des Bösen veranlasste. Damit stellt sie nicht nur den zivilgesellschaftlichen Gründungsmythos der BRD in Frage, der eine Abgrenzung zum NS darin sieht, stets anständig (gewesen) zu sein, sondern liefert gleichsam eine Erklärung dafür, wie die Deutschen zum Mord an Millionen von Menschen im Stande gewesen sind. Im Vortrag sollen die Merkmale der Banalität des Bösen am Beispiel der Person Eichmanns nachgezeichnet und ebenso die Grenzen von Arendts Einschätzung aufgezeigt werden.
04. Juli, 19.30 Uhr: Henning Fischer – Die Wende zur Wippe. Deutsche Erinnerung an den Nationalsozialismus im Jahr 2017
Vortrag und Diskussion
Als der AfD-Politiker Björn Höcke im Januar 2017 gegen die „dämliche Bewältigungspolitik“ der deutschen Vergangenheit durch die ‚Berliner Republik‘ eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte, empörten sich viele Stimmen in Medien und Politik. Der letzte Beweis einer neonazistischen Gesinnung schien erbracht. Dabei hatte mitten im Mainstream bereits fast zwanzig Jahre zuvor der SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein dem Schriftsteller Martin Walser zu seinem Ausbruch gegen das damals noch geplante „Schandmal“ zur Erinnerung an die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden gratuliert.
Im Unterschied zur Zeit von Walsers Rede entsteht zur Zeit von Höckes Rede in Berlin nicht mehr ein Gedenkzeichen für die Opfer des Holocaust und die deutschen Massenmorde, sondern ein „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ in Form einer Art Wippe, die nun an die „Sternstunden der deutschen Geschichte“ erinnern soll.
Der Vortrag wird kurz skizzieren, wie es zu diesen Situationen kam, was die Legenden um die Bombardierung Dresdens 1945 damit zu tun haben und wie eine linke, kritische Intervention in diesen ganzen Mist aussehen könnte.
11. Juli, 19.30 Uhr: Annika Neubert – Kritik der antifaschistischen Praxis an historischen Orten
Vortrag und Diskussion
Die professionalisierte pädagogische Arbeit, die in den KZ-Gedenkstätten der Bundesrepublik geleistet wird, versteht sich selbst keineswegs als wertfrei, sondern ist seit der Entstehung der Erinnerungsorte direkt oder indirekt orientiert an dem Anspruch, den schon Adorno 1963 in einem Radiointerview formulierte: „Dass Auschwitz nicht noch einmal sei, dies ist die allererste Forderung an Erziehung.“ Insofern versteht sich auch die institutionalisierte Pädagogik, die diese Orte prägt, gewissermaßen als antifaschistisch. Im Vortrag wird versucht aufzuzeigen, inwiefern die Bildungsarbeit schon durch ihre Bindung an die Förderung des Staates und seine Interessen selbst trotzdem notwendigerweise ideologisch ist und wo die Schwächen des bürgerlichen Antifaschismus liegen. Der Vortrag bildet darüber hinaus die Grundlage für eine Diskussion über die Möglichkeiten einer tatsächlich antifaschistischen Praxis an historischen Orten.
17 Juli, 19.30 Uhr: Stephan Grigat – Islamischer Antisemitismus
Vortrag und Diskussion
Antisemitismus spielt in allen Ausprägungen des Islamismus eine entscheidende Rolle, und auch in vielen Spielarten des orthodox-konservativen Mainstream-Islam ist die Hetze gegen Juden und den jüdischen Staat weit verbreitet. Anhand des iranischen Regimes einerseits und der Muslimbruderschaft andererseits soll der islamische Antisemitismus sowohl in seiner schiitischen als auch in seiner sunnitischen Ausprägung dargestellt werden. Zu fragen ist, in welchem Verhältnis der Antisemitismus in der islamischen Welt zur Tradition der europäischen Judenfeindschaft steht und was zu seiner ideologiekritischen Dechiffrierung notwendig ist.
12.. August, 11 bis 18 Uhr: Ingo Elbe: Die theoretischen Grundlagen des Rechts- und Linkspopulismus
Tagesseminar
Seminarinhalte:
1) Was ist Populismus? Allgemeine Kriterien
2) Demokratie von rechts? Carl Schmitt als Vordenker des Rechtspopulismus
3) Gibt es einen Linkspopulismus? Die politische Theorie von Chantal Mouffe und Ernesto Laclau
4) Autoritärer Charakter und populistische Agitation. Erklärung und Kritik populistischer Ideologien in der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule
Populistische Bewegungen sind weltweit auf dem Vormarsch. Gegen ‚die korrupten Eliten‘ wird an den ‚wahren Volkswillen‘ appelliert, der nicht durch formale Wahlverfahren ermittelt wird und dessen Inhalt die populistischen Führerinnen und Führer letztlich eigenmächtig und autoritär festlegen. Das Seminar gibt einen Überblick über prominente Theorien des Rechtspopulismus und ihrer linkspopulistischen Gegenspieler. Im Zentrum stehen dabei die Fragen, welche antiparlamentarischen und antidemokratischen Elemente rechtspopulistische Anrufungen des Volkes transportieren, welche Strategien rechtspopulistische Agitatoren verwenden und wie der Aufstieg des Rechtspopulismus überhaupt zu erklären ist. Dabei wird zunächst der Beitrag von Carl Schmitt, dem Vordenker des Rechtspopulismus und einer faschistischen Artikulation des Demokratiebegriffs, untersucht. Auf dieser Grundlage werden die ProtagonistInnen des aktuellen Linkspopulismus, Chantal Mouffe und Ernesto Laclau, vorgestellt, deren Begriff des Politischen und ‚postmarxistische‘ Theorie des Populismus von Bewegungen wie Syriza oder Podemos aufgegriffen wurden. Es wird die Frage gestellt, in welchem Verhältnis diese linkspopulistischen Theorien zum Rechtspopulismus stehen und ob sie eine brauchbare Alternative zu diesem darstellen. Insbesondere das Phänomen einer an Laclau und Mouffe anknüpfenden ideologischen Querfront, einer „productive convergence of the far Right and the far Left“, wie es eine amerikanische Philosophin mit begeisterter Zustimmung ausdrückt, soll kritisch thematisiert werden. Schließlich wird mit Rekurs auf die Theorie des autoritären Charakters von Erich Fromm und Theodor W. Adorno sowie Leo Löwenthals Analyse faschistischer Agitatoren ein weiterer Erklärungsansatz für rechtspopulistische Ideologien, Bewegungen und Strategien vorgestellt, der jeden Populismus als antiemanzipatorisch kritisiert.
07. November, 18.30 Uhr: Offenes Treffen des Arbeitskreises „Kritik des Nationalsozialismus“
Gegen den Nationalsozialismus sind alle Linken und fast alle anderen – wir auch. Gleichzeitig fällt uns immer wieder auf, dass durch eine bloße Abgrenzung noch lange nichts über den Nationalsozialismus gewusst wird. Innerhalb der Linken kursieren oft lediglich Fragmente einer Kritik des Nationalsozialismus, die zudem oft undurchschaut bleiben und nur auf Hörensagen beruhen. Die Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus, wie sie in der Schule oder Politik praktiziert wird, bleibt moralisch und floskelhaft. In unserem Arbeitskreis setzen wir einer solchen Auseinandersetzung etwas entgegen: Wir arbeiten zusammen einmal wöchentlich an einer Kritik des Nationalsozialismus, die darauf abzielt, ihn unmöglich zu machen. Deswegen reicht es uns auch nicht, etwas nur für uns zu wissen. Wir organisieren auch Vorträge und Seminare und wollen unseren Arbeitskreis vergrößern.
Wer sich an dieser Arbeit beteiligen möchte, ist dazu herzlich eingeladen.
Alle Veranstaltungen finden im Falken-Ladenlokal [kany] (Thälmannstraße 26, 99085 Erfurt) statt.
Entsprechend § 6 Abs. 1 VersG sind Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, von den Versammlungen der SJD – Die Falken KV Erfurt ausgeschlossen.
Die Reihe wird gefördert durch Mittel des Lokalen Aktionsplans gegen Rechtsextremismus der Stadt Erfurt (LAP).