Am 15. Februar 2025 rief die queere Community in Erfurt zur Aktion „Wähl Liebe“ auf. Eine unserer Jugendgruppen beteiligte sich mit einem Beitrag, den ihr hier lesen könnt.
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Falken sind ein sozialistischer Kinder- und Jugendverband, parteiunabhängig, aber parteiisch gegen Herrschaft und Ausbeutung. Wir engagieren uns seit Jahren in antifaschistischen und progressiven Bündnissen, unter anderem im Frauen*kampftags-Bündnis, und kämpfen gegen rechte Hetze, Diskriminierung und soziale Ungleichheit.
Also: Warum sind wir heute hier? Dafür gibt es vier zentrale Gründe.
Erstens sind wir natürlich hier, weil wir das Anliegen dieser Kundgebung teilen. Wir setzen uns für eine solidarische Gesellschaft ein, in der alle Menschen in Freiheit und ohne Angst leben können. Wie heute bestimmt schon oft gesagt wurde: Wir sind Teil der Brandmauer gegen Rechts!
Zweitens betrifft es uns ganz unmittelbar, wenn queere Menschen bedroht, schikaniert oder ausgegrenzt werden – oder noch Schlimmeres erleben müssen. Viele unserer Genoss*innen sind selbst Teil der queeren Community. Aber auch unabhängig davon: Ein Angriff auf eine oder einen von uns ist ein Angriff auf uns alle! Wir stehen an der Seite unserer queeren Freund*innen, Mitstreiter*innen und Genoss*innen. Die Geschichte zeigt uns, dass eine Gesellschaft, die Minderheiten entrechtet, letztlich für niemanden mehr sicher ist.
Drittens sind wir hier, um unsere Solidarität mit dem Queeren Zentrum Erfurt zu zeigen. Ihre wichtige Arbeit – die Unterstützung, die sie queeren Menschen in Erfurt bieten, sei es durch Beratung, Schutzräume oder Community-Angebote – ist akut gefährdet, weil finanzielle Mittel wegzubrechen drohen.
Es ist nicht tragbar, dass Orte, in denen Menschen sich zusammentun und sich organisieren, keine finanzielle Planungssicherheit haben.
Wir fordern, dass diese Unterstützung für das Queere Zentrum erhalten bleibt!
Den vierten und letzten Grund schließlich möchte ich aber ausführlicher besprechen. Nicht, weil er der wichtigste wäre, sondern weil er heute vielleicht noch nicht ganz so oft angesprochen wurde. Nämlich, dass wir uns nicht nur aus Sorge um die Demokratie zusammenschließen müssen. Und auch nicht nur aus Solidarität zwischen unseren marginalisierten und von rechts attackierten Gruppen.
Denn rechte Hetze, rechte Gewalt, Populismus und Autoritarismus sind keine Probleme einzelner Gruppen. Aber sie sind auch keine Bedrohung für die „gesamte Gesellschaft“. Sonst müssten wir heute ja nicht hier stehen. Sondern sie sind ein Problem für alle, die „ohne Angst verschieden sein“ wollen, wie es Theodor W. Adorno mal formuliert hat. Und machen wir uns nichts vor, das wird in dieser Gesellschaft nie völlig der Fall sein. Ein Kapitalismus mit menschlichem Antlitz ist nicht möglich. Trotzdem könnte auch jetzt schon vieles viel besser sein als es ist – und schlechter sollte es auf keinen Fall werden.
Jeder kennt das berühmte Zitat des Pfarrers Martin Niemöller:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Was jedoch oft vergessen wird: Niemöller war selbst Deutschnationaler und anfänglich ein Anhänger der NSDAP. Aber die Nazis machten natürlich auch vor den Kirchen nicht Halt und er kam ins Konzentrationslager.
Was lehrt uns das?
Heute stehen viele von uns bereits auf der Liste:
- Geflüchtete Menschen,
- Black People und People of Color,
- Arbeitslose und arme Menschen,
- Antifaschist*innen,
- queere Menschen,
- Seenotretter*innen,
- Grüne,
- Sozialist*innen und viele mehr.
Und während sich die Rechten jetzt noch demonstrativ an die Seite Israels stellen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Jüdinnen und Juden wieder offen auf ihrer Liste stehen werden.
Und mit ihnen wird es auch die treffen, die sich ebenfalls vor Kurzem nicht bedroht sahen oder weiterhin auf der sicheren Seite wähnen:
- die Merkel-CDU,
- die sogenannten „Gutmenschen“ – und wir sagen: Das ist ein Kompliment! –, die sich in Kirchen und zivilgesellschaftlichen Organisationen für ein humanitäres Menschenbild einsetzen und den Mut haben, den Rechtsruck in der CDU offen zu kritisieren. Respekt dafür!
- und generell Menschen, die an individuellen Freiheiten festhalten und sich nicht nach reiner Nützlichkeit bemessen lassen wollen.
Um es ganz deutlich zu sagen: Das Menschenbild, das von rechts propagiert wird – und das leider auch Teile der vermeintlichen Mitte übernehmen –, ist das Menschenbild der Volksgemeinschaft! Ob man als Teil dieser gesehen wird oder nicht, dem gegenüber ist man ohnmächtig.
Denn es sind dieselben Leute, und es ist derselbe Furor, derselbe Hass, der sich gegen alles richtet, was den Wahn der Volksgemeinschaft stört. Ein Wahn, der überall „Volksfeinde“, „Spalter*innen“ und „Schädlinge“ wittert. Ein Wahn, der sich die Gesellschaft immer nur als Ameisenstaat vorstellen kann, in dem am Individuum nichts zählt, außer sein Nutzen für das vermeintlich große Ganze.
Und zwei Dinge sind für uns als Linke besonders bitter: Erstens, dass es Linke gibt, die diesen autoritären Sound mittlerweile selbst bedienen. Und zweitens, dass die SPD in ihrer Mehrheit offenbar nicht versteht, dass sie Farbe bekennen muss! Dass es hier nicht um ein gewöhnliches politisches Gerangel geht, das man verwalten oder weglächeln kann. Sondern dass es ein realer gesellschaftlicher Konflikt ist – und dass wir ihn verdammt nochmal gewinnen müssen!
Nun, wenn das so einfach ginge, würden wir auch gerne Liebe wählen. Aber wie soll das gehen, wenn die Rechten und die Reichen längst im Kampfmodus sind? Die Frage ist nicht, ob wir diesen Kampf führen wollen – sondern nur, ob wir uns verteidigen oder nicht.
In diesem Sinne: Wählt Gegenangriff! Freundschaft!