Redebeitrag zum Frauen*kampftag 2022

Liebe Genoss*innen, liebe Kolleg*innen, liebe Frauen,

der 8. März ist der Tag, den Sozialistinnen und Arbeiterinnen traditionell nutzen, um dem Kampf um ihre Rechte, bessere Arbeitsbedingungen, ein gutes Leben und Sozialismus Ausdruck zu verleihen. Dass die Kämpfe darum aber nicht nur an diesem Tag, sondern das ganze Jahr über ausgefochten werden, ist ganz klar. Wir Falken-Frauen und ver.di-Kolleginnen haben deshalb ein besonderes Interesse daran, den heutigen Frauen*kampftag zu nutzen, um den Arbeitskampf der Beschäftigten bei der AWO zu unterstützen und unsere Solidarität mit den AWO-Beschäftigten auszudrücken. Aber auch die Kolleginnen im öffentlichen Dienst im Bereich der Sozial- und Erziehungsdienste führen derzeit einen wichtigen Arbeitskampf, mit dem wir uns solidarisieren wollen.

Der 8. März ist deshalb ein guter Tag dafür, denn die meisten Beschäftigten sowohl im Sozial- und Erziehungsdienst im öffentlichen Dienst als auch bei der AWO sind Frauen – was sich dadurch erklärt, dass die Wohlfahrt der Arbeiter*innen klassischerweise reproduktive, d.h. v.a. Pflege- und Erziehungsarbeiten, umfasst. Die Arbeiterwohlfahrt wurde von Sozialdemokrat*innen ins Leben gerufen, um die Selbsthilfe von Arbeiter*innen zu organisieren. Daraus lässt sich bereits der besondere Fokus der AWO auf den Bereich der Reproduktion von Arbeitskraft ableiten, die anderswo verausgabt wurde und wird. Mit dem Aufkommen von Nationalstaaten und deren marktwirtschaftlicher Konkurrenz, hat sich der Staat vermehrt ermächtigt, über Frauenkörper und ihre reproduktiven Fähigkeiten zu bestimmen, um sie für seine Ziele zu verwenden. Frauen müssen dem Volk Arbeiter gebären und weil sie in diesem Zusammenhang im Vergleich zu Männern ohnehin verringerte Arbeitskraft in der Fabrik aufbringen konnten, wurde ihnen auch die reproduktiven Tätigkeiten im Allgemeinen aufgezwungen. Die naturalisierende Vorstellung der Kleinfamilie mit Hausfrau und Alleinverdiener ist die bürgerliche Ideologie, die auch die davon weit entfernte Realität von Arbeiterfamilien mit Sinn ausfüllt und legitimiert. Die AWO, die Pflege und Kindererziehung als Dienstleistungen anbietet, schafft gewissermaßen Entlastung von einem Teil der sonst unentgeltlich und in den Familien stattfindenden Reproduktion, die v.a. die Frauen belasten oder hinten runterfallen würde. Der Arbeitsbereich der AWO ist also relevant, um das Funktionen von Produktion und Gesellschaft im Kapitalismus überhaupt zu gewährleisten. Das bedeutet, das Arbeiterinnen und Arbeiter gar nicht so viel Zeit und Kraft für ihre Erwerbsarbeit aufbringen könnten, wenn sie sich z.B. zuhause und unentgeltlich um ihre zu pflegenden Angehörigen kümmern müssten. Anders als die Arbeit in der Fabrik oder verwaltende Tätigkeiten, wird in diesem Bereich jedoch erstmal kein Mehrwert produziert. Während öffentlich stets betont wird, dass es sich bei diesen Tätigkeiten um verantwortungsvolle und gesellschaftlich wichtige Aufgaben handelt, sind Arbeitsbedingungen und Gehälter trotzdem mies.

Dass es eine Trennung von produktiven und reproduktiven Tätigkeiten gibt, ist im Kapitalismus systemimmanent. So lange wird es für Arbeiter*innen und Angestellte notwendig sein, auf Dienstleistungen wie die der Kolleg*innen der AWO zurückzugreifen, um ihren Alltag zwischen Lohnarbeit und Familie bewältigen zu können. Bis wir den Kapitalismus abgeschafft und diese Trennung überwunden haben, kann deshalb die Losung nur sein: ARBEITSKAMPF!

Die Kolleg*innen bei der AWO organisieren sich aktuell, um gemeinsam für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu streiten. Weil der wirtschaftliche Schaden im Falle eines Streiks für den Arbeitgeber weitaus geringer ist als z.B. in der Auto-Produktion, sind sie auf gesellschaftlichen Support angewiesen: Der Arbeitgeber spart im Streik-Fall noch die Gehälter ein, während er weiter öffentliche Förderung und Eltern-Beiträge einkassiert. Deshalb unterstützen wir die organisierten Kolleg*innen: Die Arbeitsbedingungen im Bereich von Pflege und Kindererziehung gehen uns alle etwas an! Die Schließungen von Kindergärten während der Corona-Pandemie hat das noch deutlicher gezeigt als sonst. Deshalb fordern auch wir die Arbeitgeber bei der AWO auf, den Forderungen der Beschäftigten nach mehr Kohle und besseren Arbeitsbedingungen, d.h. einem starken ver.di-Tarifvertrag, zu entsprechen und damit auch dafür zu sorgen, dass unser aller Kinder, Omas und Opas eine angemessene Betreuung und Pflege erhalten. Und auch den Verbund der kommunalen Arbeitgeber, den Arbeitgeber der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, fordern wir auf, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, belastende Arbeitsbedingungen zu beenden und für eine finanzielle Aufwertung zu sorgen! Und an euch alle hier auf der Demo: Organisiert euch in der Gewerkschaft und kämpft auch bei euch für bessere Arbeitsbedingungen!